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Mittwoch, 17. Juli 2024

Der Konstruktive Journalismus ist auch im deutschen Medienmarkt längst kein Nischenphänomen mehr. Dem redaktionellen Format wurde sogar ein eigenes Event gewidmet: Anfang Juli 2023 tagte die Konferenz für Konstruktiven Journalismus in Berlin. Knapp 120 Teilnehmer von Fernsehsendern, Tageszeitungen, Newsportalen sowie Fach- und Online-Magazinen waren vor Ort - Foto: Anke Phoebe Peters

Analyse: Was bewirkt der Konstruktive Journalismus?

Lösungsorientiert, neutral und transparent: Der Konstruktive Journalismus etabliert und festigt sich zunehmend in der deutschen Medienlandschaft. Das redaktionelle Format soll Situationen aus mehreren Blickwinkeln beleuchten, die Grundlage für Diskussionen bieten und Perspektiven für die Zukunft aufzeigen. Medien wie Perspective Daily, Good Impact oder Deine Korrespondentin bauen bereits die gesamte Berichterstattung auf diesem redaktionellen Format auf, Institutionen wie das Bonn Institute für Journalismus und konstruktiven Dialog erheben regelmäßig Studien dazu. Auch ein eigenes Event hat das redaktionelle Format mittlerweile bekommen: Anfang Juli 2023 tagte im Berliner taz Haus die „Konferenz für Konstruktiven Journalismus“.

Jan Scheper, Projektleiter der Konferenz und seit 2022 Botschafter für lösungsorientierten Journalismus des European Journalism Centrefasst zum Event zusammen: „Die Konferenz für Konstruktiven Journalismus 2023 im Berliner taz Haus war ein Erfolg. Rund 120 Kolleg*innen haben sich zwei Tage lang kennengelernt, in Workshops und Diskussionen zum Thema intensiv ausgetauscht und vernetzt. Die Teilnehmer*innen kamen etwa vom ZDF oder von RTL, vom Spiegel, von Tageszeitungen, Newsportalen, aber auch von kleineren Fach- und Online-Magazinen aus Deutschland und Österreich. Aufgrund des großen Zuspruchs arbeiten wir bereits an Folgeprojekten. Herzlicher Dank gilt auch unseren Partnern, der taz Panter Stiftung und dem European Journalism Centre, die die Veranstaltung ermöglicht und finanziell gefördert haben sowie dem Bonn Institute, Perspective Daily und Good Impact.“  

Leser wünschen sich konstruktive Inhalte

Dass auch Leser sich mehr konstruktive Inhalte wünschen und diese gut funktionieren, zeigen mehrere Studien: Der aktuelle Digital News Report vom Reuters Institute lässt etwa verlauten, dass 46 Prozent der dort Befragten sich lösungsorientierte Berichte wünschen. Eine Nutzerbefragung zu „prägenden Medienerlebnissen“ der Universität Leipzig hat im März Abonnenten der konstruktiven Magazine Futurzwei (gehört zur Berliner taz), Perspective Daily und Good Impact dazu befragt, welche Wirkungen sie durch die Nutzung dieser Lektüre feststellen. Das Ergebnis: Nach dem Lesen dieser Berichte änderten Leser ihr Alltagsverhalten vorrangig in den Bereichen Lebensstil, Konsum und Ernährung, beispielsweise durch die Gründung einer Bürgergenossenschaft oder den Umstieg auf vegane Produkte.

Wie sich die konstruktive Berichterstattung auch positiv auf die Media Time (die Zeit, die ein User in einem Artikel verbringt) auswirken kann, zeigt ein Experiment des Bonn Institute aus dem März 2023. Die in Mönchengladbach ansässige Redaktion der Rheinischen Post spielte in einem Zeitraum von fünf Monaten 21 Artikel zu fünf Themenschwerpunkten (z.B. Handel, Sicherheit) auf der Website der Rheinischen Post aus. Diese Artikel verfolgten einen lösungsorientierten Ansatz – und alle befanden sich hinter der Paywall. Das Ergebnis: Nicht die Klickzahlen dieser Artikel waren der entscheidende Wert. Stattdessen konnten positive Auswirkungen auf die Verweildauer festgestellt werden. Zudem bewirkten die lösungsorientierten Artikel, dass die Anzahl der wiederkehrenden Nutzer wachsen konnte.

Lösungsfokus, Perspektivenreichtum und die Basis für einen konstruktiven Dialog - das wünschen Leser sich von der konstruktiven Berichterstattung, erklärt das Bonn Institute - Abbildung: Presse Fachverlag

Zudem können lösungsorientierte Inhalte förderlich für die Conversion sein, zeigt eine Datenerhebung der Deutschen Presse-Agentur (DPA) in Zusammenarbeit mit der Hamburger Unternehmensberatung Schickler: Sogenannte „Inspire-me-Inhalte“, die aus inspirierenden, einordnenden und lösungsbasierten Geschichten bestehen, führen von allen angebotenen Inhalte-Formaten am ehesten dazu, dass Leser ins Abo konvertieren. Katja Fleischmann, Produktmanagerin Drive bei der DPA, sieht in dem Konstruktiven Journalismus zudem eine gute Basis in puncto Vertrauen – und eben dieses wird von Seiten des Lesers benötigt, um auch Zahlungsbereitschaft für Paid Content zu wecken.

"Der Konstruktive Journalismus lebt"

Veronika Süß, Nachrichtenredakteurin bei BR24 Radio/Audio, war bei der Konferenz für Konstruktiven Journalismus zu Gast und betont die positive Entwicklung des redaktionellen Formates in der deutschen Medienlandschaft: „Ich gehe bestärkt und optimistisch aus der Veranstaltung. Auch im deutschsprachigen Raum ist konstruktiver Journalismus nicht nur in der Medienlandschaft angekommen, sondern längst nicht mehr nur ein Nischenphänomen. Zugleich ist in vielen Bereichen noch Luft nach oben. Es gibt zahlreiche tolle Formate, die sich auf konstruktiven oder lösungsorientierten Journalismus fokussieren. Was es aber noch mehr braucht, ist das Mitdenken konstruktiver Ansätze über Format- und Produktgrenzen hinweg, als integraler Bestandteil der Berichterstattung. Eine weitere Kernerkenntnis für mich war die Bestätigung, dass sich konstruktiver Journalismus auch positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden auswirkt und in einigen Häusern vor allem jüngere Mitarbeitende gezielt nach Stellen bei den konstruktiven Formaten suchen.“

Auch Gordian Fritz, Internationaler Korrespondent bei RTL und Spezialist in puncto Solutions Journalism, resümiert positiv über die Konferenz: „Der Konstruktive Journalismus lebt! Vielfältiger, bunter, spannender und erfolgreicher, als manche vielleicht denken. Die #kkj23 hat gezeigt, wie viele verschiedene Projekte, Publikationen und Formate es gibt. So eine Vielfallt hat mich sehr positiv überrascht. Es war inspirierend zu sehen, mit wie viel Idealismus und  Überzeugung Kollegen sich der Idee des Konstruktiven Journalismus verschrieben haben. Wie viel kreative Projekte dadurch entstanden sind und sich auch tragen. Und trotzdem gibt es – wie Maren Urner es in ihrer Keynote so schön beschrieben hat – das Bullshit-Bingo und jeder kann mitreden. Trotz aller Erkenntnisse über die Wirkungsgewalt des Konstruktiven Journalismus begegnet er noch vielen Widerständen. Deshalb hat mir eine Aussage einer Kollegin in einem Panel besonders gut gefallen: ´Wir müssen doch nicht mehr darüber diskutieren, ob und wie wichtig er ist. Sondern darüber, wie wir ihn weiter voranbringen´ – Genau darum geht es und das war auf der Konferenz gut zu spüren."

Angebot im deutschen Medienmarkt wächst

Erst kürzlich entwickelte auch BurdaForward, eine Tochterfirma des BurdaVerlags mit Hauptsitz in Offenburg, ein eigenes Produkt mit Fokus auf konstruktiver Berichterstattung: Die hauseigene App „News to be Good“ ist darauf ausgelegt, der Nachrichtenvermeidung und dem Gefühl der Hilflosigkeit entgegenzuwirken, die Leser beim Konsumieren von Medien verspüren. Innerhalb der App können Leser nicht nur die wichtigsten Inhalte in sachlicher und kompakter Form erfassen, sondern durch einen Pause-Knopf jederzeit aus dem News-Konsum aussteigen und durch kleine Herausforderungen eine digitale Währung sammeln, die es ihnen ermöglicht, an ausgewählte Hilfsorganisationen zu spenden.

„Das Nutzerbedürfnis nach Lösungen zu den Problemen, über die berichtet wird, wurde erkannt.“, erklärt Veronika Süß. „Dementsprechend wird das Angebot an konstruktiven Berichten weiterwachsen. Auch Studien, die gerade im Entstehen sind, werden dazu einen Beitrag leisten und noch genauer nachvollziehbar machen, welche Effekte konstruktive Berichterstattung hat bzw. haben kann. Damit sich der konstruktive Ansatz auch in Redaktionen, die damit bislang keine Berührungspunkte hatten, als regulärer Bestandteil des Arbeitens durchsetzt, müssen das aber auch Führungspersonen zum Teil stärker fördern; auch das wird durch Konferenzen wie diese und Angebote wie die des Bonn Institutes und anderer hoffentlich in nächster Zeit noch verstärkt.“

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„Ich bin davon überzeugt, dass der Anteil weiter wachsen wird.", ergänzt Gordian Fritz. „Aber ich glaube ich nicht, dass es ein Selbstläufer wird. Zu festgefahren sind noch immer Strukturen und Reflexe, eher „traditionell“ zu berichten. Der Konstruktive Journalismus ist auf jeden Fall ein großer Teil der Lösung, wenn es darum geht, den Vertrauensverlust in den Journalismus und die „News-Avoidance“ aufzuhalten oder gar umzukehren. Gerade bei den großen Mainstreammedien aber ist das Konstruktive noch immer zu viel ´Projekt´ als selbstverständlicher Teil der ganz normalen, täglichen Berichterstattung. Wenn wir es schaffen, die Frage ´Gewohnt oder Konstruktiv?´ in den Konferenzen durch die Gleichung „Gewohnt = Konstruktiv“ zu ersetzen, würden wir sehr viel erreichen. Ich glaube, dass die jungen Journalisten-Generationen dabei viel bewirken werden. Zumindest hier bei RTL begegnen sie dem Konstruktiven Journalismus schon während ihrer Ausbildung viel intensiver als es früher der Fall war. Das kann und wird hoffentlich einen wichtigen Schub geben."

Die Nachfrage in puncto Konstruktiver Journalismus ist also vorhanden – sowohl auf Leserseite als auch bei den einzelnen Medien. Eine Umfrage während der Konferenz für Konstruktiven Journalismus ergab nämlich: Das Event wird auch nächstes Jahr wieder gewünscht, genauso ein regelmäßiger gemeinsamer Austausch der Teilnehmenden.

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